19. Oktober 2022, 15 Uhr 09
Neues zur Rechtfertigung von Kündigungen
Kürzlich hat der OGH vor dem Hintergrund der COVID-19-Pandemie eine Entscheidung zur Rechtfertigung von Kündigungen bei „querulatorischen“ Arbeitnehmern getroffen, aus der sich auch für Sachverhalte ohne COVID-Bezug ableiten lässt, dass der Arbeitgeber in der Belegschaft vorgetragene Privatmeinungen, welche im Widerspruch zu wichtigen Unternehmensanliegen bzw. -zielen stehen, nicht akzeptieren muss (OGH 25.05.2022, 8 ObA 24/22 w).
Im der Entscheidung des OGH zu Grunde liegenden Sachverhalt hat der Arbeitnehmer in einem „in missionarischem Ton gehaltenen“ Rundmail an sämtliche Mitarbeiter seines Arbeitsbereichs in einem Landesklinikum angekündigt, sich gerechtfertigten Anordnungen des Dienstgebers bezüglich der COVID-Zutrittstests zu widersetzen bzw. diese nur unter von ihm diktierten Bedingungen befolgen zu wollen. Das Dienstverhältnis wurde auf Grund dieses Verhaltens von Seiten des Arbeitgebers gekündigt.
Die im Verfahren vom Arbeitnehmer vorgebrachte Rechtfertigung, darin frei zu sein, betreffend die Sinnhaftigkeit der Anordnungen eine vom „Mainstream“ abweichende Meinung zu haben und zu äußern, wurde dabei von keiner der Instanzen in Frage gestellt. Diese Rechtfertigung half dem Kläger allerdings nicht, da der Grund für seine Kündigung nach den Feststellungen nicht seine Meinung und deren Äußerung als solches war, sondern die Art und Weise, wie er diese gegenüber der Belegschaft äußerte („missionarisch“) und die Belegschaft dadurch in Unruhe versetzte. Der Dienstgeber hat der vollkommen zutreffenden Einschätzung des OGH zu Folge ein überwiegendes Interesse am Unterbleiben einer Verunsicherung der Belegschaft durch derart vorgetragene Äußerungen.
Die Entscheidung hat sicherlich eine über die Kritik an COVID-Maßnahmen hinausgehende Bedeutung, wenn es darum geht, Dienstnehmer zu kündigen, welche sich mit Äußerungen gegen wichtige Unternehmensanliegen positionieren bzw. derartigen Anliegen entgegenwirken.
Rechtsanwalt Dr. Burkhard Georg Mötz
3. Oktober 2022, 14 Uhr 17
Vorkaufsrecht juristischer Personen bei Verschmelzungen
Bei der Verschmelzung durch Aufnahme gem § 1 Abs 1 Z 1 GenVG geht ein der übertragenden Genossenschaft eingeräumtes Vorkaufsrecht im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Genossenschaft über (OGH 23.6.2022, 5 Ob 215/21k).
Das Vorkaufsrecht kann nach der zwingenden Bestimmung des § 1074 ABGB weder einem Dritten abgetreten, noch auf die Erben des Berechtigten übertragen werden. Die Unvererblichkeit soll der im Vorkaufsrecht enthaltenen Beschränkung des freien Verkehrs eine zeitliche Grenze setzen. Ein Vorkaufsrecht kann auch einer juristischen Person eingeräumt werden. Es erlischt dann mit deren Untergang. Die Bestimmung des § 1074 ABGB entspricht inhaltlich der insoweit ebenfalls zwingenden Bestimmung des § 1070 ABGB. Danach kann (auch) das Wiederkaufsrecht vom Berechtigten weder auf die Erben noch auf einen anderen übertragen werden. Nach der jüngeren Rsp des OGH gehen bei einer gesellschaftsrechtlichen Gesamtrechtsnachfolge die der übertragenden Gesellschaft eingeräumten Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte aufgrund der mit solchen gesellschaftsrechtlichen Vorgängen verbundenen Gesamtrechtsnachfolge auf die übernehmende Gesellschaft über; explizit ausgesprochen wurde dies für den Fall der Verschmelzung nach § 96 GmbHG, §§ 220 ff AktG, der Verschmelzung bei der Errichtung einer SE und der Vermögensübernahme nach § 142 UGB.
Gemäß § 5 GenVG bewirkt die Eintragung der Verschmelzung durch Aufnahme in das Genossenschaftsregister des Sitzes der übertragenden Genossenschaft den Übergang des Vermögens dieser Genossenschaft auf die übernehmende Genossenschaft und das Erlöschen der übertragenden Genossenschaft. Die Verschmelzung ist damit ein Fall der Rechtsnachfolge durch Universalsukzession. Der die jüngere Rsp zum Schicksal der Wiederkaufs- und Vorkaufsrechte im Fall der Verschmelzung tragende Grund, dass bei dieser Form der Gesamtrechtsnachfolge eine Liquidation unterbleibt und die übertragende Genossenschaft in der übernehmenden Genossenschaft aufgeht, gilt demnach auch für die Verschmelzung durch Übertragung des Vermögens einer (übertragenden) Genossenschaft als Ganzes auf eine andere (übernehmende) Genossenschaft (Verschmelzung durch Aufnahme gem § 1 Abs 1 Z 1 GenVG).
Rechtsanwalt Dr. Martin Maxl
12. August 2022, 10 Uhr 08
Schadenersatz: Kein Sprungregress des Generalunternehmers in einer Erfüllungsgehilfenkette
Der OGH hat kürzlich in einer wegweisenden Entscheidung die in der Lehre bisher umstrittene Frage geklärt, ob sich ein Generalunternehmer in einer Erfüllungsgehilfenkette direkt beispielsweise gegen einen Sub-Subunternehmer regressieren kann (so genannter "Sprungregress"). Zusammengefasst ist das dem OGH zu Folge nicht möglich. Ein Werkunternehmer kann sich daher nach § 1313 ABGB nur gegen seinen eigenen Gehilfen, nicht aber gegen den Gehilfen des Gehilfen regressieren (OGH 30.06.2022, 4 Ob 99/22 w).
Im der Entscheidung des Höchstgerichts zu Grunde liegenden Sachverhalt schlossen die Wohnungseigentümer einer Liegenschaft (im Folgenden: Besteller) mit der Klägerin als Werkunternehmerin und Bauträgerin einen Werkvertrag über die Sanierung des Wohngebäudes. Die Klägerin gab die Bauausführung an ein anderes Bauunternehmen weiter (im Folgenden: Subunternehmer), das sich ihrerseits weiterer Bauunternehmer, unter anderem der Beklagten (als "Sub-Subunternehmerin") für die Herstellung einzelner Gewerke bediente. Die Beklagte führte ihre Werkleistungen und Verbesserungsarbeiten mangelhaft aus, wodurch zwei Besteller/Wohnungseigentümer Schäden durch Feuchtigkeitseintritte erlitten.
In einem Vorprozess machten zwei der Besteller diesen Schaden gegen die Klägerin, also die Werkunternehmerin, geltend. Wegen der mangelhaften Werkleistungen wurde die Klägerin rechtskräftig zum Ersatz der Sanierungskosten verurteilt. Die klagende Werkunternehmerin begehrte nunmehr die von ihr im Vorprozess zu ersetzen gewesenen Sanierungskosten regressweise nach § 1313 Satz 2 ABGB von der Beklagten Sub-Subunternehmerin für die von dieser verursachten Bau- und Ausführungsmängeln. Sie argumentierte dies zusammengefasst damit, dass es irrelevant sei, dass die Streitteile beim Bauvorhaben nicht in einem direkten Vertragsverhältnis gestanden seien, weil nach dieser Norm ein Regress im Wege der Erfüllungsgehilfenkette erfolgen könne.
Der Oberste Gerichtshof widersprach der Rechtsansicht der Klägerin, verneinte den geltend gemachten Anspruch und begründete seine diesbezügliche Entscheidung zusammengefasst wie folgt:
§ 1313 zweiter Satz ABGB regelt den Regressanspruch des § 1313 ABGB wegen eines Verstoßes im Innenverhältnis zwischen dem Geschäftsherrn und dem mit diesem durch ein Vertragsverhältnis verbundenen Gehilfen. Dabei ist auch nach der bisherigen Rechtsprechung des OGH unbestritten, dass ein Vertragspartner (z.B. Generalunternehmer) bei einer sogenannten Erfüllungsgehilfenkette auch für das Verschulden des von seinem Erfüllungsgehilfen verwendeten weiteren Erfüllungsgehilfen (Sub-Subunternehmer) haftet. Dieser Haftung (z.B.) eines Generalunternehmers bei einer Erfüllungsgehilfenkette liegt zugrunde, dass sich dieser auch des "Sub-Subunternehmers" zur Interessenverfolgung gegenüber dem Besteller bedient. Ein Gehilfe (und damit auch ein "Sub-Subunternehmer") selbst haftet (vom Fall eines Vertrags mit Schutzwirkungen zugunsten Dritter abgesehen) gegenüber dem Besteller aber nicht vertraglich, was durch die (vertragliche) Haftung des Generalunternehmers für das Verhalten des Gehilfen ausgeglichen wird.
In Anbetracht des Umstands, dass sich der Besteller bei vertraglichen Ansprüchen an seinen Vertragspartner (also z.B. den Generalunternehmer) richten muss, wäre es dem OGH zu Folge ein Wertungswiderspruch, wenn sich dieser Vertragspartner (Generalunternehmer) bei einer Erfüllungsgehilfenkette aussuchen könnte, ob er sich bei seinem eigenen Vertragspartner (Subunternehmer) oder einem weiteren Gehilfen (Sub-Subunternehmer) regressiert.
Rechtsanwalt Dr. Burkhard Georg Mötz
3. Mai 2022, 15 Uhr 10
Gesellschafterstreit: Weiter kein direkter Anspruch eines GmbH-Gesellschafters gegenüber seinem Mitgesellschafter
Ein Leistungs- bzw Unterlassungsbegehren, mit dem einem Gesellschafter in Generalversammlungen zwar nicht die Ausübung des Stimmrechts in einer bestimmten Weise, aber doch sonstige Verhaltensweisen vorgeschrieben werden sollen, ist ebenso wie ein Feststellungsbegehren, mit dem für gewisse Abstimmungsgegenstände für die Zukunft das Stimmrecht eines Gesellschafters bindend festgestellt werden soll, grundsätzlich unzulässig (OGH 2.2.2022, 6 Ob 213/21y).
In Prozessen über Gesellschaftsbeschlüsse ist immer die GmbH Partei. Dies bedeutet, dass solche Prozesse (ua auf Unterlassung der Ausübung des Stimmrechts) unter Gesellschaftern und Organmitgliedern untereinander und gegeneinander nicht zuzulassen sind, obwohl es sich vielfach nicht um Streitigkeiten mit der GmbH, sondern um Streitigkeiten der Gesellschafter, allenfalls der Organmitglieder, handelt. Die behauptete Verletzung von Mitgliedschaftsrechten durch bereits gefasste Beschlüsse kann nicht mit Unterlassungsklage des Gesellschafters gegen den Geschäftsführer unter Außerachtlassung der in § 41 GmbHG vorgesehenen befristeten Anfechtungsmöglichkeit bekämpft werden. Künftig allenfalls ins Auge gefasste Beschlüsse können in Ermangelung eines vom Gesetz dem einzelnen Gesellschafter gegenüber seinem Mitgesellschafter eingeräumten Anspruchs auf Ausübung des Stimmrechts in einem bestimmten Sinn nicht mit vorbeugender Unterlassungsklage oder einstweiliger Verfügung verhindert werden. Abgesehen davon, dass sich die Voraussetzungen für den Ausschluss vom Stimmrecht auch bei einer konkreten Beschlussfassung in Zukunft anders gestalten können, würde die Stimmrechtsausübung an sich nicht verhindert und es wäre wieder die Wirksamkeit des Gesellschafterbeschlusses auf das nur mittels der Nichtigkeitsklage des einen oder des anderen durch die Feststellung des Abstimmungsergebnisses benachteiligten Gesellschafters zu bewältigende Problem verlagert, ob im konkreten Fall das Stimmrecht zugestanden oder versagt gewesen sei. Ein Leistungs- bzw Unterlassungsbegehren, mit dem einem Gesellschafter in Generalversammlungen der GmbH zwar nicht die Ausübung des Stimmrechts in einer bestimmten Weise, aber doch sonstige Verhaltensweisen vorgeschrieben werden sollen, erweist sich daher, ebenso wie ein Feststellungsbegehren, mit dem für gewisse Abstimmungsgegenstände in Generalversammlungen der GmbH ohne zeitliche Einschränkungen für die Zukunft das Stimmrecht eines Gesellschafters bindend festgestellt werden soll, schon grundsätzlich als unzulässig. Zur Klärung der Fragen, ob sich die Gesellschafter oder der Versammlungsleiter in der Generalversammlung rechtmäßig verhalten haben, wer zu welchen Beschlussgegenständen sein Stimmrecht gültig ausüben durfte bzw ausgeübt hat und welche Beschlüsse letztlich wirksam zustande gekommen sind, steht die befristete Klage nach §§ 41 f GmbHG zur Verfügung.
15. März 2022, 14 Uhr 52
Google-Bewertungen: Üble Laune rechtfertigt Entzug von Sternen nicht
Dr. Burkhard Mötz hat kürzlich im Rechtspanorama der "Presse" die Zulässigkeit von negativen Sterne-Bewertungen im Internet erörtert. Kurz zusammengefasst muss eine Bewertung vor allem inhaltlich richtig und sachlich nachvollziehbar sein. Dabei bleibt noch ein relativ großer Spielraum für das subjektive Empfinden des Bewertenden. Ist die Bewertung allerdings unwahr oder fehlt ein sachlicher Bezug der Bewertung zur vom bewerteten Unternehmen angebotenen (Dienst-)Leistung, ist die Bewertung unzulässig.
Näheres dazu im Artikel.